Mit Musik zurück ins Vertrauen – Christine Hoefs | Therapie zwischen Tönen

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Musiktherapie… oh, das ist ja interessant! Was ist das eigentlich? Was macht man da in so einer Sitzung? Ich bin nicht musikalisch, ist diese Therapieform dann nichts für mich?

Das sind die häufigsten Aussagen und Fragen, die mir als Musiktherapeutin gestellt werden. Und es ist nicht alles so einfach zu beantworten.
Hier mal eine kurze und vereinfachte Antwort was Musiktherapie ist: Es handelt sich um eine Therapieform, die sich die Musik und alle musikalischen Mittel und Prozesse zu Hilfe holt, um in einen heilenden Prozess zu kommen. Das beinhaltet das Musikhören (rezeptiv), Musik-Spüren ( Klang-/ Schwingungstherapie), das aktive Musizieren mit Stimme und/oder Instrumentarium, Rhythmik, Bewegung, Tanz, Malen und Gestalten zur Musik.

Die Definition auf der Internetseite der Deutschen Musiktherapeutischen Gesellschaft lautet:

Musiktherapie ist der gezielte Einsatz von Musik im Rahmen der therapeutischen Beziehung zur Wiederherstellung, Erhaltung und Förderung seelischer, körperlicher und geistiger Gesundheit. Musiktherapie ist eine praxisorientierte Wissenschaftsdisziplin, die in enger Wechselwirkung zu verschiedenen Wissenschaftsbereichen steht, insbesondere der Medizin, den Gesellschaftswissenschaften, der Psychologie, der Musikwissenschaft und der Pädagogik.

Der Begriff „Musiktherapie” ist eine summarische Bezeichnung für unterschiedliche musiktherapeutische Konzeptionen, die ihrem Wesen nach als psychotherapeutische zu charakterisieren sind, in Abgrenzung zu pharmakologischer und physikalischer Therapie. Musiktherapeutische Methoden folgen gleichberechtigt tiefenpsychologischen, verhaltenstherapeutisch-lerntheoretischen, systemischen, anthroposophischen und ganzheitlich- humanistischen Ansätzen. ( Quelle: Kasseler Thesen) https://www.musiktherapie.de/musiktherapie/was-ist-musiktherapie/

Was ich aus meiner Praxis sagen kann ist, dass Musik immer dann sinnvoll eingesetzt ist, wenn es (noch) keine Worte gibt oder Gefühle sich unklar anfühlen und nicht versprachlicht werden können oder wenn die Worte eine Pause brauchen.

Schwieriger ist schon die Antwort auf die Frage was in einer musiktherapeutischen Sitzung geschieht. Eigentlich ist es wie in jeder psychotherapeutischen Praxis so, dass je nach Klient, nach Ausgangssituation und Zielsetzung unterschiedliche Ansätze und Methoden sinnvoll sind. Also kann jede Sitzung je nach momentaner Stimmung eine andere Methode Anwendung finden.
Ja, ich weiß eine Gesprächstherapie kann man sich gut vorstellen. Da wird halt über das Problem gesprochen. Obwohl es längst nicht alles ist, was eine Gesprächstherapie leistet, ist es doch für uns leichter uns diese Sitzung vorzustellen. Es gibt verschiedene Ansätze der Musiktherapie, die je nach Problemlage oder Wunsch der Begleitung besonders hilfreich sind. So gibt es zum Beispiel musiktherapeutische Verfahren die speziell für Tinnitus-Klienten entwickelt wurden, die also eher den Fokus auf Körper und Wahrnehmung legen. Es gibt neonatale Musiktherapie, die Neugeborene und deren Eltern auf der Frühchenstation unterstützt und sie in ihren Grundbedürfnissen und regulativ unterstützt. Es gibt Sozialmusiktherapie und Gruppentherapie, die psychosoziale, bindungsorientierte oder verhaltenstherapeutische Methoden anwenden können. Es gibt Klangtherapien, die mit Hilfe von Schwingungsinstrumenten Körper und Geist ansprechen, sehr regulativ wirken und die Körperwahrnehmung fördern. Musiktherapie kann auch eine gute Begleitung in Krisen, Trauer oder anderen persönlichen Lebensprozessen sein. Sie ist für jeden nutzbar für junge Menschen, für alte Menschen, für Menschen mit Beeinträchtigungen, sie kann integrativ, produktiv und aber eben auch inaktiv (als Zuhörer) genutzt werden. Es gibt eine Vielzahl von Methoden, die wiederum eine Vielzahl an Wirkungen auf die Klienten haben und das ist doch toll. Wir sind eben nicht alle gleich und auch nicht jeden Tag in der gleichen Stimmung und so sollte sich Therapie auch an die Klienten anpassen.


Also machen wir nur Musik und tanzen oder entspannen uns zu musikalischen Klängen in der Therapiesitzung?

Nein, natürlich nicht. Einen wichtigen Teil der therapeutischen Arbeit nimmt die Reflexion dessen ein, was in diesem Therapierahmen geschieht oder geschehen ist. Wir versuchen über das Hilfsmittel Musik unsere Gefühle, Gedanken, Stimmungen, Verhaltensweisen aufzuzeigen, auszudrücken, zu benennen, es zu versprachlichen, zu verstehen und in einen Zusammenhang zu bringen, liebevoll zu akzeptieren und anzunehmen, vielleicht auch Glaubenssätze oder Verhaltensweisen zu verändern und im Idealfall das Erkannte in die eigene Lebensgeschichte zu integrieren. Puh, klingt nach ganz schön zeitaufwendiger und schwerer Arbeit – ja es ist auf keinen Fall leicht sich mit seinen vergangenen Erlebnissen und gegenwärtigen Verhaltensweisen oder Problemen auseinanderzusetzen, aber es gibt eben keine Pille für sofortige seelische Heilung. Aber es lohnt sich den Weg zu gehen, die eigene Psyche zu ergründen, denn anstatt auf der Stelle zu treten, kann man nur wachsen.

Einfach und viel interessanter finde ich aber die Antwort auf die Frage, ob man musikalisch sein muss, wenn man diese Art der Therapie probieren möchte.
Zunächst aber gibt es von mir einige Gegenfragen: Was bedeutet Musikalität? Was sind die Richtlinien für musikalisch oder unmusikalisch? Wer behauptet oder hat behauptet du wärst nicht musikalisch?

In meinen Augen gibt es das nicht, es gibt niemanden, der nicht musikalisch ist. Es ist unmöglich. Musik und Rhythmus sind etwas das uns schon immer begleitet. Schon im Mutterleib sind wir von Klängen und vor allem Rhythmen umgeben. Der Herzschlag, Puls, die Atmung und Bewegungen der Mutter, alle Klänge von Organen und Geräuschen von außen werden gedämpft durch das Fruchtwasser als warme Soundkulisse vom Ungeborenen wahrgenommen, etwa ab der 12. Schwangerschaftswoche, also schon sehr früh in unserem Leben. Diese Sound- und Rhythmuskulisse ist der Soundtrack unseres Urvertrauens.
Alle unsere Bedürfnisse in dieser Zeit wurden bedingungslos gestillt. So haben wir Musik im Mutterleib schon als etwas regulierendes und beruhigendes abgespeichert, als etwas das mit Sicherheit, Geborgenheit und Verbindung verknüpft ist. Aus diesem Grund ist es so hilfreich Schlaflieder, Beruhigungslieder oder einfach Lieder zur Aufheiterung mit den Babys und Kindern zu singen. Weil wir zum Schlafen Geborgenheit und Sicherheit brauchen, weil wir uns noch nicht selbst regulieren können und ein Beruhigungslied dann genau das richtige ist und weil wir bei lustigen Liedern die Bindung zu unseren Eltern und Mitmenschen sehr gut spüren können.
Dieses so frühe Wissen über die Wirkung von Musik auf uns steckt in uns allen!

Diese Prägung erklärt auch die Wirkung von Filmmusik auf uns, die uns noch mehr in die Dramaturgie des Filmes einsteigen lässt und in uns eigene Gefühle weckt.
Und ist auch der Grund, warum ich keinen Menschen kenne – und ich behaupte jetzt mal, es gibt überhaupt niemanden – der Musik nicht auf irgendeine Weise mag.
Alles, was wir jetzt mit Musikalität verbinden ist das was wir über Musik in unserem jeweiligen Kulturkreis beigebracht bekommen haben.
Daraus entsteht auch oft diese Unsicherheit oder die Behauptung (Glaubenssatz): Ich bin unmusikalisch. Die Beurteilung durch Lehrer und Mitmenschen auf musikalische Darbietungen, die oft mit großer Überwindung einhergeht, setzen uns genau solche Sätze in den Kopf und bleiben dort leider lang stecken. Wer überwindet sich schon gern noch einmal, wenn er eine Enttäuschung oder Verletzung erlebt hat?
Das was in unserer Erziehung als harmonisch und disharmonisch gilt – hat aber nichts mit der Musikalität zu tun, die aus dir heraus entstehen kann und ist überhaupt keine Voraussetzung für eine musiktherapeutische Begleitung.
Ich kann nur jedem empfehlen, der glaubt nicht musikalisch zu sein, es wieder und wieder zu machen. Alles, was sich dabei für dich gut anfühlt, ist auch gut!


Ja und was ist mit all den super guten MusikerInnen, die scheinen doch musikalischer zu sein als andere, oder?

Diese MusikerInnen haben ihr musikalisches Potential, also das was uns allen in die Wiege gelegt wurde eben mehr genutzt als andere. Alles benötigt seine Zeit und Übung und das nötige Interesse.

Christine Hoefs | Therapie zwischen Tönen
Praxis für Musik-, Klang- und Traumatherapie

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